Nach der eindrucksvollen Auftaktproduktion der Tanzsparte des Lausitz Festivals »Gletscher« von Haggai Cohen-Milo und Margaux Marielle-Tréhoüart im letzten Jahr in Weißwasser setzen das Duo und ihr Team ihre musiktanztheatralische Arbeit in diesem Jahr fort, verankern den Tanz noch fester im Programm des Festivals und inszenieren in Kollaboration mit lokalen Akteur:innen der Lausitzer Tanzlandschaft zu dessen Abschluss eine neue Arbeit im Hangar 1 in Cottbus. Ein Schwerpunkt der Zusammenarbeit des israelischen Komponisten und Musikers Haggai Cohen-Milo und der französischen Choreographin und Tänzerin Margaux Marielle-Tréhoüart liegt in der Erforschung von Möglichkeiten der Verknüpfung von Tanz und Musik durch das Erfinden gemeinsamer Sprachen. Geteilte Spielregeln etwa – eine gemeinsame Grammatik, wenn man so will – ermöglichen die sinnvolle Begegnung mit dem jeweils Anderen. Große Teile des Musiktanztheaters »Gletscher« waren bereits derart gebaut. Nun erweitern beide Künstler:innen ihr Spielprinzip auf ein kollaboratives Musik-Tanzprojekt mit Lausitzer Tänzer:innen und Choreograf:innen. Sie benutzen die Regeln des bekannten Gesellschaftsspiels »Stille Post« / »Ćicha póšta« als Generator verschiedener Tänze und Musiken, die schließlich miteinander zu einem faszinierenden Musiktanztheater über die Begegnung mit dem Anderen verwoben werden. Eine Choreografie macht den Anfang und wird an einen zweiten Choreografen dergestalt übermittelt, dass ein zwischengeschalteter Kommentator das Ausgangsgeschehen einerseits beschreibt und dieses andererseits zur Instruktion für den neuen Tanz wird; wie wenn ein Sportreporter ein Fußballspiel übers Radio vermitteln und man versuchen würde, das Spiel nach dessen Mitteilungen nachzuspielen. Auch die Musik wird einem solchen Verfahren unterzogen. Die Kommentatoren sind Lausitzer:innen aus allen Lebensbereichen. Auf diese Weise drehen Tanz und Musik einmal die Runde durch die Lausitz und durchlaufen Stationen der Lausitzer Tanzszene. Missverständnisse werden so zur Quelle von Vielseitigkeit, Fehlkommunikationen zum Ursprung der Einzigartigkeit. Auf diese Weise entsteht in der sich entwickelnden Tanzsparte des Festivals ein weiteres Mal ein Lausitzer Original, das eine auch und gerade für diese Region hochbrisante Frage aufwirft und künstlerisch thematisiert: Unter welchen Bedingungen sind Begegnungen von einander Anderen möglich, die die Andersheit bewahren und zugleich Veränderungen in Gang setzen. Die Antwort scheint so einfach wie kompliziert zu sein: Indem sich alle Beteiligten auf bestimmte Spielregeln einlassen, gewähren sie einander die Integrität des eigenen künstlerischen Ausdrucks, der gleichsam erst im Austausch mit dem Anderen zu dem wird, was er ist. Dabei entsteht durchaus etwas ganz Neues, etwas Nicht-Dagewesenes, kurz: etwas Anderes. Ein anderes, also: ganz eigenes Spiel wird erfunden. »Ćicha póšta« / »Stille Post – lauter Träume« entfaltet ein modellhaftes Gesellschaftsspiel, bei dem musiktanztheatralische Schönheit zum Ausdruck eines durchaus spannungsvollen und toleranten Mit-Ein-Anders wird. Mit Einführung ab 19:00 mit Michael Höppner.
Bühne | Konzert
07.09.2024 | 19.30 bis 21.30 Uhr
Liederabend Camilla Nylund: »Über die Romantik hinaus«